Ein Experten-Beitrag von Stephanie Inhuber
Wie geht richtig stretchen bzw. dehnen?
Es existieren, wie gerade angesprochen, zahlreiche verschiedene Dehnmethoden, die sich im Wesentlichen in der Art der Ausführung der Dehnung unterscheiden. Jedoch stiftet einerseits die undurchschaubare Fülle an deutsch- und englischsprachlichen Fachbegriffen Verwirrung, andererseits kursieren darüber hinaus diverse Meinungen, die jedem Sportler, der sich mit dem Thema Stretching beschäftigt, zu Ohren kommen: Während die eine Methode verteufelt wird, weil sie angeblich negative Effekte nach sich zieht, wird die andere Methode hochgejubelt, denn diese hat, so heißt es zumindest, nur positive Auswirkungen zur Folge. Nach einigen Monaten oder Jahren wendet sich das Blatt – auf einmal soll doch wieder anders gedehnt werden und das was bisher gut und richtig war, ist auf einmal nicht mehr gern gesehen. Wie wird nun heutzutage, dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechend, richtig gedehnt?
Es unterscheiden sich drei wesentliche Dehnmethoden sowohl bezüglich der Durchführung als auch der Zielsetzung:
- Statisches Dehnen (Static Stretching: SS)
- Dynamisches Dehnen (Dynamic Stretching: DS)
- CRAC-Dehnen (Contract Relax-Agonist Contract: CRAC)
Statisches Dehnen (Static Stretching: SS)
Beim Static Stretching (SS) wird eine Dehnposition nahe der individuellen Schmerzgrenze eingenommen und bei submaximaler, gleichbleibender Intensität ausschließlich gehalten. In einem langfristigen Dehnungstraining wird jede Muskelgruppe dabei 20-30 Sekunden gedehnt, es erfolgen ca. je 3 Sätze, wobei dazwischen eine Pausenzeit von 5-10 Sekunden vorgesehen ist. Die Anwendung der statischen Methode zieht sowohl neurophysiologische als auch bei längeren Dehnzeiten strukturelle Veränderungen in der Muskultur nach sich.
Die besonderen Vorteile dieser Methode liegen – aufgrund der Einfachheit der Ausführung – in der guten Kontrolle der Dehnung, dem Erfühlen der Spannungszustände im eigenen Körper und der damit einhergehenden psychischen Entspannung (vgl. Yoga).
Dynamisches Dehnen (Dynamic Stretching: DS)
Das Dynamic Stretching (DS) unterscheidet sich vom statischen Dehnen dadurch, dass die Endposition nicht einfach nur gehalten, sondern mit unterschiedlicher Intensität in den Endbereich der Bewegungsamplitude hinein gefedert wird. Dieses Federn kann je nach Ausführung einerseits nur einen sehr kleinen Bewegungsspielraum haben, dann ist es dem statischen Dehnen ähnlich, andererseits durch großflächigere Ausholbewegungen schon in den Bereich Schwunggymnastik gehen. Im Rahmen eines langfristigen Dehnungstrainings empfehlen sich 10-15 pumpend-federnde Wiederholungen pro Muskelgruppe und 3 Sätze bei submaximaler bis maximaler Intensität und einer Pausenzeit von 5-10 Sekunden.
Der Vorteil des dynamischen Dehnens liegt in der besonderen Eignung dieser Methode für der Vorbereitung auf sportliche Leistungen mit großen Gelenksamplituden, da die dynamische Ausführung einerseits die Endposition der Muskulatur ständig erweitert und begrenzt und andererseits der nachfolgenden sportlichen Beanspruchung und Bewegungsausführung sehr nahe kommt.
CRAC-Dehnen (Contract Relax-Agonist Contract: CRAC)
Das Dehnen nach der CRAC-Methode ist aufgrund der Komplexität der Durchführung die anspruchsvollste der vorgestellten Methoden, erfordert sowohl Anstrengungsbereitschaft als auch ein hohes Maß an Körperbeherrschung und Konzentration und eignet sich somit eher für den schon fortgeschrittenen „Stretcher“.
Nach dem Einnehmen einer leichten Dehnposition wird zunächst der zu dehnende Zielmuskel für 5-10 Sekunden maximal isometrisch kontrahiert (Contract) und danach für 2-5 Sekunden entspannt (Relax). Daraufhin wird die entsprechende Position zur Dehnung des Zielmuskels eingenommen, wobei während der Dehnung der Gegenspieler (Muskel, welcher dem zu dehnenden Muskel anatomisch gegenüber liegt) 5-10 Sekunden lang kontrahiert wird (Agonist-Contract). In einem langfristigen Dehnungsprogramm werden bei submaximaler bis maximaler Intensität 2-3 Sätze pro Übung durchgeführt, während zwischen den Sätzen eine Pause von 5-10 Sekunden erfolgen sollte.
Der Vorteil des CRAC-Dehnens liegt vor allem in der mit der Dehnung einhergehenden Kräftigung der jeweiligen Muskulatur, die sich über die isometrischen Kontraktionsphasen ergibt. Außerdem zieht das Beherrschen dieser komplexen Dehnmethode auch eine Optimierung des individuellen Körpergefühls nach sich. Aus sportwissenschaftlicher Sicht stellt das CRAC-Dehnen eine PNF-Methode (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) dar, welcher sowohl neuromuskuläre Bahnungseffekte als auch die Hemmung intramuskulärer Reflexe (autogene Hemmung, reziproke Vorwärtshemmung) zugeschrieben werden.
Grundsätzlich ist für richtig Dehen bzw. richtig Stretchen folgendes festzuhalten:
Diese drei großen vorgestellten Dehnvarianten – SS, DS und CRAC – decken das Spektrum der Dehnmethoden weitestgehend ab. Die Aufgabe des Sportlers oder Trainers besteht nun darin – der praktizierten Sportart, der gewünschten Zielsetzung und des individuellen Leistungsstandes entsprechend – die Methoden auszuwählen bzw. diese auch zu kombinieren. Es spricht nämlich nichts dagegen, je nach Trainingszeitpunkt und –zustand, unterschiedliche Methoden anzuwenden. Dieser gelebte Methodenpluralismus ist nicht nur wünschenswert, sondern auch besonders effektiv, und belegt, wird er denn auch angewandt, die tatsächliche Kenntnis über die Anwendung der verschiedenen Dehnmethoden und das Vertrautsein mit dem eigenen Körper und dessen Bedürfnissen.
Wen jetzt die Lust zum Dehnen packt,
wer gerne die dazugehörenden „Verrenkungen“ unbeobachtet für sich durchführt,
wer dabei aber unter professioneller Anleitung mit einem korrekten Bewegungsvorbild trainieren möchte
und wer dank der Begleitung einer Trainingsgruppe auch nicht ganz allein sein will,
dem sei an dieser Stelle folgendes empfohlen:
Die Trainingseinheiten „Stretch“ aus dem Programm von bodyboom mit Daniel Gärtner.
Euch wünschen wir viel Spaß beim Workout und Stretching.